AfD-Aussteigerin: „Röcke hat die Macht”

Franziska Schreiber berichtet bei Lesung über ihre Zeit in der Partei / Sie spricht von sektenartigen Strukturen

Die 28-Jährige war einst sogar Landesvorsitzende der Jugendorganisation in Sachsen. Heute versucht sie aufzuklären und vor der Partei zu warnen.

VON OLIVER HERMES

Cloppenburg. „Die AfD ist keine normale Partei. Die Strukturen werden immer sektenartiger”, sagt Franziska Schreiber. Sie selbst bezeichnet sich als Aussteigerin, bis 2017 war sie Mitglied in der AfD und unter anderem Landesvorsitzende der Jugendorganisation in Sachsen sowie Pressesprecherin. Im Bildungswerk stellte die 28-Jährige ihr Buch vor, anschließend gab es eine Fragerunde.
„Björn Höcke ist der mächtigste Mann in der Partei. Was er sagt, wird gemacht”, so Schreiber. Der Landesvorsitzende aus Thüringen ist auch Vorsitzender des sogenannten „Flügels”, dem rund 40 Prozent der Mitglieder angehören und der jüngst vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall erklärt wurde. Höcke habe die Strippen in der Hand, selbst die Bundesvorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen würden ihm gehorchen. „Bei vielen Mitgliedern ist es schon der Beginn eines Führerkultes”, sagt die 28-Jährige.
Sie selbst ist 2013 in die Partei eingetreten, zu dem Zeitpunkt sei es noch um die Euro-Auflösung gegangen. Ihr habe es gefallen, dass sich die AfD eher als Bürgerbewegung gesehen habe. Im Laufe der Jahre habe sich die Partei, aber auch sie selbst, verändert. Seit September 2015 mit der Flüchtlingswelle gab es nur noch das Thema Migration. „Das ging zunächst in kleinen Schritten. Mit jeder Nachricht oder Pressemitteilung hat man schärfere Formulierungen gewählt oder höhere Zahlen erfunden. Wenn ich meine Statements von damals lese, ekel ich mich vor mir selbst.”
Die Entwicklung sei auch nicht mehr umkehrbar. „Die AfD hat sich gehäutet, aber in eine radikale rechte Richtung”, so die Aussteigerin. Islamkritik sei Pflicht. Wer dabei am meisten polarisiert, wird innerhalb der Partei gewählt. So sollten in den Reden der Abgeordneten oftmals die Begriffe Kameraden, Vaterland, Ehre und Blut eingebaut werden. Skandalaussagen seien immer berechnend, so sollen gemäßigte Mitglieder rausgedrängt werden.
Ihr eigener Ausstieg aus der Partei sei mit der Ehe für alle besiegelt gewesen. Als bisexuell lebend habe sie sich über die Entscheidung gefreut, von ihr wurde allerdings eine ablehnende Pressemitteilung verlangt. „Da sind Ausdrücke gefallen, die Partei hat mich angewidert.”
Zehn Tage vor der Bundestagswahl 2017 erklärte sie öffentlich ihren Austritt, verbunden mit einer Wahlempfehlung gegen die AfD. „Ich fühlte mich nach der Entscheidung immer besser, habe aber natürlich mit Reaktionen gerechnet.” Es ging schließlich von Beschimpfungen hin bis zu Morddrohungen. Den Schritt hat sie jedoch nie bereut, heute sei ihre Welt viel heller und klarer. Auch der Umgang mit der Familie, die eher links orientiert ist, wurde besser.
Für den Umgang mit der AfD rät sie Politikern, die Partei dennoch wie jede andere zu behandeln. „Man muss sie inhaltlich stellen, denn da ist nicht viel. Außerdem darf man ihnen nicht die Opferrolle ermöglichen.” Im persönlichen Umfeld solle man klare Kante zeigen. Das gelte gerade für soziale Netzwerke.
Denn: „Facebook” ist für die AfD der Hauptkriegsschauplatz. In kürzester Zeit vernetzen sich fast 20000 Personen. Und viele davon sind wirklich überzeugt, dass in Deutschland der Kollaps kurz bevor steht”. Dabei halten sich die Mitglieder für bestens informiert, andere Meinungen werden als Lüge oder Manipulation angegriffen.
Zu Schreibers Buch äußert sich die AfD nur selten. Der Autorin wird aber vorgeworfen, dass sie mit dem Ausstieg nur Geld verdienen wolle. In ihrem Vortrag zeigte sie sich aber reflektiert und geläutert. Man nimmt ihr ab, dass sie wirklich aufklären und vor der Partei warnen möchte. Im Anschluss stellte sie sich noch den Fragen einer Schulklasse.

BILD:
Autorenlesung: Franziska Schreiber sprach über ihre Zeit bei der AfD.
FOTO:
Hermes, Münsterländische Tageszeitung